Viele Männer und ihre Angehörigen erleben nach einer Prostataoperation — ob radikale Prostatektomie oder andere Eingriffe — eine unerwartete Herausforderung: Harninkontinenz. Als Autorin dieses Blogs weiß ich aus Gesprächen mit Betroffenen und aus persönlicher Nähe, wie belastend das sein kann. In diesem Beitrag teile ich praktische Sofortmaßnahmen, realistische Erwartungen und langfristige Übungen, die ich selbst recherchiert und vielfach bestätigt gefunden habe.
Was passiert nach der Operation?
Nach einer Prostataoperation kann es zu unterschiedlicher Stuhlinkontinenz kommen, am häufigsten jedoch zu Harninkontinenz. Ursache sind oft beeinträchtigte Schließmuskelfunktionen, Nervenreizungen oder -schädigungen während der OP. Häufig berichten Männer über Tröpfeln, plötzlichen Harndrang oder vollständigen Kontrollverlust in den ersten Tagen bis Wochen.
Wichtig ist: dieses Problem ist weit verbreitet und oft temporär. Viele Patienten verbessern sich in den ersten 3–12 Monaten deutlich, manche benötigen länger. Geduld, gezielte Übungen und die richtige Versorgung können den Alltag enorm erleichtern.
Sofortmaßnahmen direkt nach dem Krankenhausaufenthalt
- Blasenentleerungsprotokoll: Notiere Beginn, Menge und Umstände jeder Blasenentleerung. Das hilft deinem Arzt und zeigt Muster (z. B. nächtliches Tröpfeln oder Belastungsinkontinenz beim Husten).
- Sondentraining und Katheterpflege: Falls du vorübergehend einen Katheter hattest, ist sorgfältige Pflege wichtig. Achte auf Hygiene, vermeide Zug am Schlauch und sprich bei Schmerzen sofort mit der Pflegekraft.
- Diskrete Hilfsmittel: Verwende zunächst saugfähige Einlagen oder Einmalunterlagen. Marken wie TENA Men oder Seni Active bieten speziell für Männer konzipierte Produkte. Sie geben Sicherheit und reduzieren Angst vor Auslaufen.
- Flüssigkeitsmanagement: Trinke regelmäßig, aber vermeide übermäßiges Trinken vor dem Schlafengehen. Alkohol und koffeinhaltige Getränke können Harndrang verstärken.
- Vermeide starkes Pressen: Beim Stuhlgang hilft eine ballaststoffreiche Ernährung und ggf. ein mildes Abführmittel, um Pressen zu vermeiden, das den Beckenboden zusätzlich belastet.
Die ersten Übungen: Schonend starten
Direkt nach der OP ist es wichtig, mit sehr sanften Übungen zu beginnen. Viele Männer sind verunsichert, wie sie den Beckenboden richtig anspannen — deshalb beschreibe ich einfache, alltagstaugliche Schritte:
- Identifizieren des Beckenbodens: Versuch beim Wasserlassen, den Harnstrahl einmalig zu unterbrechen. Die Muskeln, die das möglich machen, sind die, die du trainieren willst. Diese Übung nur zum Erkennen nutzen, nicht regelmäßig während des Wasserlassens, um Harnwegsinfekte zu vermeiden.
- Grundspannung (Isometrisch): Ziehe die Beckenbodenmuskeln für 3–5 Sekunden an, dann 5–10 Sekunden entspannen. Wiederhole das 10-mal, dreimal täglich.
- Schnelle Kontraktionen: Ziehe die Muskeln schnell zusammen und wieder los, 10–20-mal hintereinander. Diese Übung hilft bei plötzlichem Harndrang und bei Belastungsinkontinenz.
Fortgeschrittenes Training und Reha-Methoden
Ist die erste Phase überstanden, empfiehlt sich ein systematisches Trainingsprogramm unter Anleitung (z. B. Physiotherapie mit Spezialisierung auf Beckenboden). In der Reha werden oft folgende Methoden genutzt:
- Biofeedback: Elektroden oder Druckmanschetten zeigen in Echtzeit, ob du die richtige Muskulatur aktivierst. Das beschleunigt den Lernprozess.
- Elektrostimulation: Sanfte elektrische Impulse können bei sehr schwacher Muskulatur die Aktivierung unterstützen. Dies sollte von einem Therapeuten eingestellt werden.
- Progressive Widerstandsübungen: Wie beim Krafttraining erhöhst du langsam die Intensität: längere Kontraktionszeiten, mehr Wiederholungen oder Übungen in belastenderen Positionen (z. B. beim Stehen, beim Husten oder Heben).
- Kombination mit Ganzkörpertraining: Bauch- und Rückenstabilität unterstützen den Beckenboden. Pilates oder gezielte Kräftigungsübungen helfen.
Praktische Alltagstipps
- Trainiere situativ: Übe bewusst vor Situationen, die früher Probleme machten (Husten, Niesen, Heben). So lernt dein Körper, die Muskulatur automatisch zu aktivieren.
- Toilettenplanung: Kenne die Lage von Toiletten bei Ausflügen — das reduziert Stress. Kurze Regelungen wie „vor der Fahrt noch einmal zur Toilette“ können Auslaufen verhindern.
- Bekleidung wählen: Dunkle Hosen und absorbierende Unterwäsche geben Sicherheit. Es gibt diskrete Herren-Slips mit Saugkern.
- Sexualität und Intimität: Offene Gespräche mit der Partnerin/dem Partner sind wichtig. Viele Männer fürchten, durch Inkontinenz weniger attraktiv zu sein — doch Offenheit, Schutzmaßnahmen (z. B. Handtuch, kurze Duschmöglichkeit) und Zeit helfen.
Wann sollte man ärztliche Hilfe oder weitere Therapie suchen?
Wenn nach sechs bis zwölf Wochen keine Verbesserung sichtbar ist, oder wenn die Inkontinenz sehr stark deinen Alltag einschränkt, ist es Zeit für eine Nachsorgeuntersuchung. Es gibt operative und minimalinvasive Optionen:
- Schlingenoperationen und künstlicher Harnröhrenschließmuskel (AMS) — für schwere Fälle.
- Vaginale Netz-ähnliche Verfahren bei Männern (sogenannte Slings).
- Injektionstherapien, die den Verschlussbereich unterstützen.
Jede Option hat Vor- und Nachteile; eine individuelle Abwägung mit Urologe und Reha-Spezialist ist entscheidend.
Meine Erfahrungen mit Hilfsmitteln und Apps
In Gesprächen mit Betroffenen höre ich oft, dass unterstützende Technologien sehr helfen: Apps wie „Squeezy“ oder spezielle Trainingsapps für Beckenboden motivieren durch Erinnerungen und Fortschrittsmessung. Auch Biofeedback-Geräte für Zuhause (z. B. Elvie Trainer bei Frauen, bei Männern gibt es spezifische medizinische Geräte) können eine zusätzliche Hilfe sein — immer in Absprache mit dem Therapeuten.
Psychische Belastung nicht unterschätzen
Harninkontinenz ist nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern trifft oft das Selbstwertgefühl. Suchen Sie Austausch: Selbsthilfegruppen, psychologische Beratung oder Gespräche mit anderen Betroffenen helfen, Scham zu reduzieren und praktische Tipps zu bekommen. Als Angehörige*r kannst du unterstützen, indem du offen, geduldig und lösungsorientiert bleibst.
Konkreter Übungsplan für die ersten drei Monate
| Phase | Dauer | Übungen |
|---|---|---|
| Phase 1 (Akut) | 0–2 Wochen | |
| Phase 2 (Aufbau) | 2–8 Wochen | |
| Phase 3 (Fortgeschritten) | 8–12 Wochen |
Wenn du möchtest, kann ich in einem weiteren Beitrag spezifische physiotherapeutische Übungen mit Demonstrationen beschreiben oder Hilfsmittel vergleichen. Schreib mir gerne, welche Fragen oder Erfahrungen du hast — Austausch ist ein wichtiger Teil der Heilung.