Als ich erstmals nach einer Selbsthilfegruppe für unseren Vater suchte, wusste ich nicht genau, worauf ich achten sollte. Die Fülle an Angeboten — von kirchlichen Gruppen über Klinik-Selbsthilfe bis zu Online-Foren — war überwältigend. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich gelernt, welche Kriterien wirklich zählen, damit eine Gruppe nicht nur informativ ist, sondern mich und meine Familie emotional stärkt.
Was erwarte ich persönlich von einer Selbsthilfegruppe?
Bevor ich mich einer Gruppe anschließe, frage ich mich: Brauche ich in erster Linie Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten, Austausch mit Menschen in ähnlicher Situation, oder psychische Unterstützung? Bei Prostatakrebs können die Bedürfnisse sehr unterschiedlich sein — medizinische Fragen, Nebenwirkungen der Therapie, Sexualität, Inkontinenz, Trauer oder die Rolle als Angehörige. Wenn ich meine Erwartungen klar habe, fällt die Auswahl leichter.
Formale Kriterien: Leitung, Größe und Struktur
Mir ist wichtig zu wissen, ob die Gruppe von einem Profi (z. B. Sozialarbeiter, Psychoonkologe) moderiert wird oder ob sie selbstorganisiert von Betroffenen geleitet wird. Beides hat Vor- und Nachteile:
Auch die Gruppengröße spielt eine Rolle: Kleine Gruppen (6–10 Personen) bieten oft mehr Raum für persönliche Gespräche; größere Gruppen können mehr Themen abdecken und ein größeres Netzwerk bieten.
Themenfokus: Allgemein oder spezialisiert?
Manche Gruppen behandeln alle Aspekte rund um Prostatakrebs, andere haben einen engen Fokus, z. B. Reha nach Prostatektomie, Leben mit Hormontherapie oder Angehörigengruppen. Ich habe festgestellt, dass spezialisierte Gruppen sehr nützlich sind, wenn ich konkrete Probleme habe (z. B. Sexualität nach Behandlung), während allgemeine Gruppen hilfreich sind, um das Gefühl zu haben, nicht alleine zu sein.
Ort und Erreichbarkeit: Präsenz vs. Online
Früher habe ich vor allem Präsenzgruppen empfohlen — der direkte Blickkontakt und die Nähe wirken oft sehr stärkend. Inzwischen sind Online-Gruppen (Zoom, Microsoft Teams, Plattformen wie Meetup oder spezialisierte Foren) eine wertvolle Ergänzung, besonders wenn Mobilität, Zeit oder Entfernung ein Problem sind.
Wichtig ist, dass die technische Ausstattung einfach ist und Moderierende die Teilnehmenden aufklären, wie Online-Sitzungen ablaufen (z. B. Stummschaltung, Handheben-Funktion).
Vertrauen, Vertraulichkeit und Sicherheit
Vertraulichkeit ist für mich zentral. Bevor ich teilnehme, frage ich nach Gruppenregeln: Werden persönliche Geschichten vertraulich behandelt? Gibt es eine Schweigepflicht? Wie wird mit sensiblen Themen (z. B. sexuelle Probleme, intime Sorgen) umgegangen? Gute Moderierende sorgen dafür, dass sich jede*r sicher fühlt und dass Grenzen respektiert werden.
Atmosphäre und Gruppenkultur
Die Atmosphäre muss zu mir passen. Einige Gruppen sind sehr sachlich und informationsorientiert, andere sind emotional und offen. Ich achte auf Zeichen in der ersten Sitzung: Wie begrüßen sich die Menschen? Wird gelacht oder dominiert die Angst? Fühle ich mich ernst genommen? Eine gute Gruppe hat Platz für Traurigkeit und Hoffnung zugleich.
Praktische Fragen, die ich vor dem ersten Treffen stelle
Was tun, wenn die Gruppe nicht passt?
Es ist völlig legitim, eine Gruppe nach ein oder zwei Treffen wieder zu verlassen. Das heißt nicht, dass ich versagt habe — es zeigt nur, dass diese Gruppe nicht meine Bedürfnisse erfüllt. Ich dokumentiere kurz, was nicht passte (z. B. zu viel Fachjargon, zu wenig Raum für Emotionen) und suche weiter. Oftmals hilft es, verschiedene Formate zu kombinieren: z. B. eine fachlich orientierte Klinikgruppe plus eine kleine, vertraute Selbsthilfegruppe.
Einbindung von Angehörigen
Als Angehörige habe ich selbst oft Unterstützung gebraucht, konnte aber nicht immer in reine Patientengruppen gehen. Viele Gruppen bieten spezielle Angehörigenrunden an, oder es gibt gemischte Treffen mit getrennten Gesprächsphasen. Achten Sie darauf, ob die Gruppe solche Angebote hat — sie sind sehr wertvoll, um die Belastung als Partner*in oder Kind zu teilen.
Qualität der Informationen
Fehlinformationen können Schaden anrichten. Ich überprüfe, ob medizinische Fakten durch Referenten aus Klinik oder starken Patientenorganisationen bestätigt werden. Gruppen mit Vorträgen von Urologen, Psychoonkologen oder Physiotherapeuten sind oft eine gute Mischung aus Praxiserfahrung und Fachwissen. Wenn mir Behauptungen zu radikal oder unbewiesen erscheinen (z. B. Wunderdiäten ohne Quellen), spreche ich das an oder frage nach Quellen.
Inklusivität und Diversität
Ich achte darauf, dass die Gruppe offen für unterschiedliche Lebensentwürfe ist — kulturell, religiös, sexuell. Eine Gruppe, die Vielfalt schätzt, bietet mehr Perspektiven und Unterstützung. Fragen Sie, ob Barrierefreiheit gegeben ist (z. B. für Rollstuhlfahrer), ob Online-Teilnahme möglich ist, oder ob Veranstaltungen mit Dolmetsch angeboten werden.
Konkrete Hilfen und Aktivitäten
Manche Gruppen organisieren mehr als Gespräche: Reha-Termine, Beckenbodentraining, Info-Workshops zu Ernährung, gemeinsame Spaziergänge oder Besuche in Kliniken. Diese praktischen Angebote haben mir oft am meisten geholfen, weil sie direkt den Alltag erleichtern.
Wenn Sie möchten, können Sie auf https://www.as-bei-prostatakrebs.de nach lokalen Angeboten suchen oder mich über das Kontaktformular anschreiben — ich unterstütze gern bei der Orientierung. Denken Sie daran: Die richtige Gruppe kann ein fester Anker in einer stürmischen Zeit sein. Es lohnt sich, aktiv zu suchen und auch mehrere Angebote auszuprobieren, bis die Chemie stimmt.