Als Journalistin und Begleiterin von Menschen mit Prostatakrebs habe ich immer wieder erlebt, wie Studieninformationen Patienten verwirren können. Als Angehörige eines Erkrankten weiß ich auch, wie groß der Wunsch ist, aktiv zu handeln und zugleich die Angst, etwas Falsches zu entscheiden. In diesem Artikel möchte ich aus meiner Perspektive erklären, wie man Inclusionkriterien von klinischen Studien liest und was die Teilnahme konkret bringen kann — verständlich, praktisch und ohne medizinischen Fachjargon.
Was sind Inclusion- (Einschluss-) und Exclusionkriterien?
Wenn ich auf eine Studienbeschreibung stoße, sind die Abschnitte zu Einschluss- und Ausschlusskriterien für mich die wichtigsten. Kurz gesagt:
Einschlusskriterien legen fest, welche Patientinnen und Patienten für die Studie zugelassen werden.Ausschlusskriterien nennen, wer nicht teilnehmen darf — oft aus Sicherheitsgründen oder weil bestimmte Bedingungen die Auswertung verfälschen würden.Diese Kriterien dienen dazu, eine möglichst homogene Gruppe zu haben, damit die Studienergebnisse aussagekräftig sind. Sie sollen Patienten schützen und die wissenschaftliche Qualität sichern.
Wie lese ich Inclusionkriterien richtig?
Hier meine praktische Schritt-für-Schritt-Vorgehensweise, die mir bei der Recherche hilft und die ich Angehörigen empfehle:
1. Überblick verschaffen: Lies zunächst die Kurzbeschreibung der Studie (Objective/Study Design), um zu verstehen, worum es geht.2. Zielgruppe identifizieren: Suche nach Angaben wie Alter, Krankheitsstadium (z. B. lokal begrenzt, metastasiert), Vorbehandlungen (z. B. vorherige Chemotherapie, Operation) und Biomarker (z. B. PSA-Werte, genetische Mutationen).3. Konkrete Werte prüfen: Viele Studien verlangen konkrete Laborwerte (z. B. Leber- und Nierenwerte), Leistungsstatus (z. B. ECOG 0–2) oder bestimmte Zeiträume seit der letzten Behandlung. Notiere dir diese Zahlen.4. Kleine Details beachten: Manchmal stehen dort Formulierungen wie „patient must be able to understand and sign informed consent“ — das bedeutet, dass kognitive Fähigkeiten und Sprachverständnis wichtig sind.5. Ausschlusskriterien lesen: Diese geben oft Aufschluss darüber, welche Risiken bestehen könnten (z. B. bestehende Herzkrankheiten, Infektionen oder andere Krebserkrankungen).Beispiel: Typische Einschluss- und Ausschlusskriterien
| Einschlusskriterien | Ausschlusskriterien |
| Alter ≥ 18 Jahre; histologisch bestätigter Prostatakrebs; PSA-Anstieg trotz Hormontherapie | Schwere Herzinsuffizienz (NYHA III/IV); aktive Hepatitis; Schwangerschaft |
| ECOG-Leistungsstatus 0–2; ausreichende Leber- und Nierenfunktion (Transaminasen < 2.5x ULN) | Vorherige Therapie mit dem Studienmedikament oder bekannte Allergie gegen Inhaltsstoffe |
| Lebenszeitserwartung > 6 Monate; Bereitschaft zur regelmäßigen Nachsorge | Aktive Autoimmunerkrankung oder chronische Immunsuppression |
Warum sind diese Kriterien wichtig für mich als Patient oder Angehöriger?
Als ich die Kriterien für verschiedene Studien verglichen habe, wurde mir klar: Sie helfen nicht nur Forschern — sie helfen uns, die richtige Entscheidung zu treffen.
Passgenauigkeit: Treffen die Einschlusskriterien zu, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Behandlung auch in deinem Gesundheitszustand sinnvoll ist.Sicherheit: Ausschlusskriterien schützen vor zusätzlichen Risiken. Wenn jemand z. B. eine schwere Herzkrankheit hat, kann ein Medikament gefährlich sein.Künftiger Nutzen: Studien können Zugang zu neuen Therapien bieten, die später Standard werden — eine Chance, die man abwägen sollte.Was bringt mir (oder meinem Angehörigen) die Teilnahme konkret?
Aus meiner Erfahrung heraus gibt es mehrere potenzielle Vorteile — aber auch reale Grenzen:
Vorteile: Früher Zugang zu innovativen Therapien, oft auch wenn Standardangebote ausgeschöpft sind. Engmaschige medizinische Betreuung: Studienpatienten werden häufig intensiver überwacht. Beitrag zur Forschung: Teilnahme hilft, bessere Therapien für zukünftige Patientengenerationen zu entwickeln.Begrenzungen und Risiken: Neue Wirkstoffe können unbekannte Nebenwirkungen haben. Kein garantierter persönlicher Nutzen — die Studie könnte zeigen, dass die Behandlung nicht wirkt. Logistische Belastungen: häufige Klinikbesuche, zusätzliche Untersuchungen und mögliche Kosten (Reise, Zeit).Welche Fragen sollte ich vor der Entscheidung stellen?
Wenn ich eine Studie entdecke, notiere ich mir immer Fragen, die ich meinem Onkologen, Studienarzt oder Studienkoordinator stellen würde:
Was ist das Ziel der Studie (Heilung, Lebensverlängerung, Symptomlinderung)?Welche Therapie genau wird geprüft und wie unterscheidet sie sich von der Standardbehandlung?Welche Nebenwirkungen sind bekannt und wie werden sie behandelt?Welche Untersuchungen und wie oft sind notwendig?Wer trägt Kosten für Anreise, Unterkunft und Untersuchungen?Gibt es eine Möglichkeit, die Behandlung vorzeitig abzubrechen, wenn Nebenwirkungen auftreten?Informierte Einwilligung: das Einmaleins vor der Unterschrift
Die informed consent-Unterlagen sind entscheidend. Sie enthalten alle Details zur Studie: Zweck, Ablauf, mögliche Risiken und Rechte der Teilnehmer. Ich empfehle:
Die Unterlagen in Ruhe lesen, idealerweise zu Hause, und Fragen aufzuschreiben.Eine zweite Meinung einholen — z. B. vom Hausarzt oder einer spezialisierten Beratungsstelle.Darauf achten, dass die Möglichkeit besteht, jederzeit ohne Nachteile aus der Studie auszusteigen.Praktische Tipps zur Suche und Auswahl von Studien
So gehe ich vor, wenn ich nach Studien für Betroffene suche:
Nutze vertrauenswürdige Register wie ClinicalTrials.gov oder die EU Clinical Trials Register.Frage direkt beim behandelnden Zentrum nach — große Universitätskliniken haben oft Studienkoordinatoren.Nutze Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen; dort gibt es oft Hinweise zu laufenden Studien.Beachte das Rekrutierungsstadium („recruiting“, „active, not recruiting“); nicht jede ausgeschriebene Studie nimmt aktuell Teilnehmer auf.Persönliche Gedanken
Als jemand, die nah an dieser Thematik ist, finde ich wichtig: Die Teilnahme an einer Studie ist weder Heldentum noch Verzweiflungstat — sie ist eine informierte Option. Für viele Betroffene kann sie Hoffnung und neue Möglichkeiten bieten; sie verlangt aber auch, gut informiert und vorbereitet zu sein. Wenn Sie mögen, unterstütze ich Sie gern beim Formulieren von Fragen oder beim Verstehen einer Studienbeschreibung. Auf meinem Blog As Bei Prostatakrebs (https://www.as-bei-prostatakrebs.de) finden Sie weiterführende Links und Ressourcen — und natürlich die Möglichkeit, mir Nachrichten zu senden, wenn Sie eine konkrete Studie besprechen möchten.