Als jemand, die nah an Menschen mit Prostatakrebs lebt und darüber schreibt, bekomme ich häufig Fragen zur Funktionalität nach einer Operation: Wie wirken sich nervenerhaltende Techniken auf die Erektionsfähigkeit aus? Kann man Vertrauen in moderne OP-Verfahren haben? In diesem Beitrag möchte ich aus meiner Recherche, Gesprächen mit Urologen und Berichten Betroffener erklären, was hinter dem Begriff „nervenerhaltende Operation“ steckt, welche Faktoren die sexuelle Erholung beeinflussen und welche realistischen Erwartungen man haben kann.

Was bedeutet „nervenerhaltende“ Prostatektomie?

Bei einer nervenerhaltenden Prostatektomie versucht der Operateur, die beiden Schwellkörpernerven (Nervi cavernosi), die entlang der Prostata verlaufen, zu schonen. Diese Nerven sind zentral für die Erektionsfähigkeit, da sie die Durchblutung und die Nervenimpulse in den Schwellkörpern steuern.

Es gibt verschiedene Techniken: offene Operation, laparoskopisch (Schlüsselloch) und robotisch-assistiert (z. B. mit dem Da Vinci-System). Oft wird der Begriff „nerverhaltend“ verwendet, wenn diese Nerven teilweise oder vollständig erhalten werden können.

Welche Techniken gibt es und wie unterscheiden sie sich?

Ich habe gelernt, dass die Technik allein nicht alle Antworten liefert — aber sie ist wichtig:

  • Offene radikale Prostatektomie: Klassische Methode mit direktem Blick auf die anatomischen Strukturen. Vorteil: für einige komplexe Fälle besser beim Tasten und Erkennen von Gewebe. Nachteil: längere Heilungszeit.
  • Laparoskopische Prostatektomie: Minimalinvasiv mit kleinen Schnitten. Bessere Sicht durch Vergrößerung, oft kürzere Erholungszeit.
  • Robotisch-assistierte Prostatektomie (Da Vinci): Bietet eine 3D-Vergrößerung und feinere Instrumentensteuerung. Studien zeigen tendenziell bessere kurzfristige Ergebnisse in Bezug auf Kontinenz und Funktion, doch der operative Skill ist entscheidend.

Wichtig ist: die Erfahrung des Chirurgen und das Volumen der durchgeführten Eingriffe beeinflussen die Ergebnisse oft stärker als die Wahl der Methode allein.

Wie beeinflusst die Technik konkret die Erektionsfähigkeit?

Die Technik beeinflusst die Chancen, die Nerven zu erhalten, und damit die Wahrscheinlichkeit, nach Monaten oder Jahren wieder Erektionen zu bekommen. Hier einige Aspekte:

  • Präzision: Robotische Systeme erlauben feinere Schnitte und weniger Tremor, was das Risiko verringern kann, die Nerven zu schädigen.
  • Sicht: Bessere Vergrößerung kann helfen, die Nervbündel klarer zu identifizieren.
  • Gewebehandling: Schonende Dissektion reduziert durch Nerven entstandene Traumata und Entzündungen.
  • Onkologische Sicherheit: In Fällen, in denen der Tumor nahe am Nerv liegt, muss manchmal der Nerv teilweise entfernt werden, um Krebsfreiheit zu gewährleisten. Hier entscheidet häufig die Krebslage über die Möglichkeit des Nervverhaltens.

Realistische Erfolgsaussichten: Was sagen Studien und Patientenberichte?

Die Datenlage ist heterogen. Generell gilt: Je jünger der Patient, je besser die Ausgangsfunktion (vor der OP) und je erfahrener der Chirurg, desto besser die Chancen auf Erholung der Erektionsfähigkeit. Zahlen schwanken, typischerweise:

  • Bei vollständiger beidseitiger Nervenraffung: 50–70 % Erholungsrate über 12–24 Monate bei jüngeren Männern mit guter Vorfunktion.
  • Bei einseitiger Schonung: moderate Verbesserung gegenüber keiner Schonung.
  • Bei vollständiger Entfernung beider Nerven: deutlich reduzierte Wahrscheinlichkeit spontaner Erektionen; Hilfsmittel oft notwendig.

Wichtig ist die Geduld: Nerven regenerieren langsam. Manche Männer bemerken erst nach 12–24 Monaten deutliche Verbesserungen. Ich habe viele Berichte gelesen, in denen Männer über Jahre eine langsame, aber spürbare Verbesserung beschrieben.

Faktoren, die die Erholung beeinflussen

  • Alter: Jüngere Männer haben tendenziell bessere Aussichten.
  • Voroperationelle Funktion: Wer vor der OP starke, regelmäßige Erektionen hatte, hat bessere Chancen.
  • Rauch- und Lebensstil: Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel verschlechtern die Mikrozirkulation und damit die Erholung.
  • Komorbiditäten: Diabetes, Gefäßerkrankungen und Herz-Kreislauf-Probleme mindern die Erfolgsaussichten.
  • Rehabilitationsmaßnahmen: Frühzeitige Erektile Rehabilitation (PDE5-Inhibitoren wie Sildenafil/Cialis, Vakuumgeräte, intraurethrale Gele, Schwellkörperinjektionen) erhöhen die Chance auf bessere Langzeitwerte.

Was ist „erektiler Rehabilitation“ und warum ist sie wichtig?

Ich empfehle, das Thema aktiv anzugehen. Erektile Rehabilitation bedeutet, nach der OP frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Schwellkörper zu schützen und die Nervenregeneration zu unterstützen. Dazu gehören:

  • PDE5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil): oft in niedriger Dosis regelmäßig oder nach Bedarf.
  • Vakuum-Erektionshilfen (z. B. Marken wie Androvacuum oder Vacurect): mechanisch erzeugen sie Blutfüllung; viele Patienten berichten von nützlichen Effekten.
  • Injektionstherapien (Alprostadil): wirkungsstark, wenn orale Mittel nicht helfen.
  • Penile Rings und Kombinationstherapien.

Frühzeitige Anwendung (in den ersten Wochen bis Monaten) kann Fibrose verhindern und die Durchblutung erhalten — das fördert langfristig die Funktion.

Sexualität ist mehr als Erektion: Psychologie und Partnerschaft

Ich höre oft: Der psychische Druck, „funktionieren“ zu müssen, verschlimmert Probleme. Deshalb ist eine ganzheitliche Sicht wichtig. Gespräche mit Partnern, Sexualtherapie oder Paarberatung können Ängste reduzieren und neue Intimitätsformen öffnen. Hilfsmittel können helfen, aber eine offene Kommunikation oft noch mehr.

Wie bereite ich mich auf ein Gespräch mit dem Chirurgen vor?

Wenn Sie eine Prostatektomie planen, empfehle ich, diese Fragen zu stellen:

  • Welche Technik nutzen Sie (offen, laparoskopisch, robotisch)?
  • Wie oft führen Sie diese Operation durch?
  • Ist eine beidseitige oder einseitige Nervschonung möglich?
  • Welche Risiken bestehen für Erektionsstörungen bei meinem individuellen Tumorbild?
  • Welche Rehabilitationsmaßnahmen empfehlen Sie nach der OP?

Notieren Sie die Antworten oder bringen Sie eine Vertrauensperson mit. Es ist Ihr Recht, eine zweite Meinung einzuholen.

Einblick in meinen Austausch mit Betroffenen

Im Austausch mit Männern auf dem Blog und in Selbsthilfegruppen höre ich unterschiedliche Wege: Manche setzen früh auf tägliche Tadalafil-Therapie, andere kombinieren Vakuumpumpen mit gelegentlichen Injektionen. Wichtiger als die Marke ist die Konsistenz — regelmäßig angewandte Maßnahmen zeigen bessere Ergebnisse.

MaßnahmeVorteileNachteile
PDE5-Hemmer (z. B. Tadalafil) einfach, oral, oft gut verträglich nicht bei allen wirksam, Wechselwirkungen möglich
Vakuumpumpe mechanisch zuverlässig, keine systemischen Nebenwirkungen Unbequem, Gewöhnung nötig
Injektionen (Alprostadil) hohe Wirksamkeit Injektionserfahrung nötig, Schmerz möglich

Wenn Sie konkrete Produkte in Erwägung ziehen, lesen Sie Bewertungen, sprechen Sie mit Urologen und prüfen Sie Krankenkassenregelungen — manche Kosten werden übernommen.

Auf https://www.as-bei-prostatakrebs.de finden Sie weiterführende Beiträge und persönliche Erfahrungsberichte. Wenn Sie möchten, können Sie mir Ihre Fragen oder Ihre eigene Geschichte schicken — oft hilft der Austausch mit anderen Betroffenen mehr, als man denkt.