Als ich mich intensiver mit der Hormontherapie (Androgendeprivationstherapie, ADT) auseinandergesetzt habe, wurde mir schnell klar: Die Nebenwirkungen sind nicht nur medizinische Fakten, sie prägen den Alltag von Betroffenen massiv. Besonders Müdigkeit und Gewichtszunahme zählen zu den am häufigsten berichteten Problemen — und beides hängt oft zusammen. In diesem Beitrag teile ich aus Recherche, Gesprächen mit Fachleuten und Erfahrungen von Betroffenen konkrete, praktische Tipps, die im Alltag helfen können.

Warum treten Müdigkeit und Gewichtszunahme bei der Hormontherapie auf?

Die Hormontherapie reduziert den Testosteronspiegel, um das Wachstum von Prostatakrebs zu bremsen. Testosteron beeinflusst aber auch Muskelmasse, Stoffwechsel und Energiehaushalt. Wenn der Hormonspiegel sinkt, kommt es häufig zu:

  • Abnahme der Muskelmasse und damit reduzierter Grundumsatz
  • Veränderter Fettverteilung (mehr viszerales Fett)
  • Verminderter Antrieb und gesteigerte Müdigkeit
  • Stimmungsschwankungen, die zu weniger Aktivität führen können

Diese Effekte erklären, warum Müdigkeit und Gewichtszunahme oft gleichzeitig auftreten. Wichtig ist: Es gibt Maßnahmen, die helfen, diese Nebenwirkungen zu mildern.

Alltagsstrategien gegen Müdigkeit

Müdigkeit bei ADT ist real — und manchmal frustrierend. Ich habe folgende Strategien als besonders wirkungsvoll erlebt:

  • Schlafoptimierung: Regelmäßige Schlafenszeiten, eine ruhige Schlafumgebung und das Vermeiden von Bildschirmen 1 Stunde vor dem Schlaf können die Schlafqualität verbessern. Ein Schlafprotokoll über 1–2 Wochen hilft, Muster zu erkennen.
  • Pacing und Tagesstruktur: Energie einteilen: Prioritäten setzen, anstrengende Aktivitäten auf die Tageszeit legen, in der man sich am besten fühlt, und Ruhepausen planen (z. B. 20–30 Minuten am frühen Nachmittag).
  • Moderate Bewegung: Kurz, aber regelmäßig: Spaziergänge, leichtes Radfahren oder sanftes Schwimmen können die Energie steigern. Studien zeigen, dass selbst 30 Minuten moderate Bewegung an 3–5 Tagen pro Woche Müdigkeit reduzieren.
  • Krafttraining: Aufbau von Muskulatur hilft auch gegen Müdigkeit, weil mehr Muskelmasse den Energiestoffwechsel verbessert. Das kann mit einfachen Übungen wie Kniebeugen, Sit-ups oder Widerstandsband-Übungen beginnen. Eine physiotherapeutische Anleitung ist sinnvoll.
  • Ernährung gegen Energietiefs: Kleine, proteinreiche Snacks (z. B. Quark mit Beeren, Nüsse, Hüttenkäse) helfen, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Große Zuckerportionen führen oft zu schnellen Energieabfällen.
  • Medizinische Abklärung: Müdigkeit kann multifaktoriell sein: Blutbild (Anämie), Schilddrüse, Vitamin D bzw. Vitamin B12 prüfen lassen. Manchmal hilft eine spezifische Behandlung.

Konkrete Tipps, um Gewichtszunahme zu begrenzen

Gewichtszunahme lässt sich nicht immer ganz verhindern, aber mit gezielten Maßnahmen kann man sie deutlich verlangsamen oder sogar entgegenwirken:

  • Proteinreich essen: Protein unterstützt den Erhalt und Aufbau von Muskelmasse. Ziel: bei 3 Mahlzeiten jeweils eine Proteinquelle (Fisch, Geflügel, Eier, Milchprodukte, Hülsenfrüchte).
  • Krafttraining integrieren: Muskelaufbau erhöht den Grundumsatz. Zwei bis drei Einheiten pro Woche mit 20–40 Minuten sind ein realistischer Einstieg.
  • Kohlenhydrate bewusst wählen: Mehr Vollkorn, Gemüse und Hülsenfrüchte, weniger raffinierte Zucker. Ballaststoffreiche Kost fördert Sättigung.
  • Portionskontrolle statt strikter Verbote: Kleine Änderungen, z. B. kleinere Teller, langsames Essen, achtsames Genießen, wirken nachhaltig.
  • Flüssigkeitsmanagement: Viel Wasser, weniger zuckerhaltige Getränke und Alkohol — letzteres liefert viele Kalorien und kann die Gewichtszunahme fördern.
  • Tracking als Motivationshilfe: Ein Ernährungstagebuch für 1–2 Wochen hilft, Kalorienfallen zu entdecken (Saucen, Snacks, Getränke).

Praktische Woche: ein Beispielplan

Hier ein einfacher Wochenplan als Orientierung — keine strenge Vorgabe, sondern Inspiration:

  • Montag: 30 Minuten zügiger Spaziergang + 15 Minuten Kräftigungsübungen (Liegestütze an der Wand, Kniebeugen)
  • Dienstag: Krafttraining mit Theraband oder Hanteln (20–30 Minuten)
  • Mittwoch: Aktive Pause – 20 Minuten Yoga oder Dehnübungen, leichter Spaziergang
  • Donnerstag: Intervallspaziergang (Wechsel: 3 min zügig / 2 min langsamer) + Proteinreiche Mahlzeiten
  • Freitag: Krafttraining + soziale Aktivität (Treffen mit Freunden, gemeinsames Kochen)
  • Wochenende: Erholung, längerer Spaziergang, bewusstes Genussessen

Was professionelle Unterstützung leisten kann

Ich empfehle, sich ein Team aufzubauen:

  • Onkologe/Urologe: Über Nebenwirkungsprofil und mögliche medikamentöse Anpassungen sprechen.
  • Ernährungsberater: Ein personalisierter Ernährungsplan kann Gewichtszunahme verhindern helfen — oft mit praktischen Einkaufstipps.
  • Physiotherapeut/Trainer: Individuelle Kraftprogramme sind effektiver und schonender als allgemeine Übungen.
  • Psychoonkologe oder Selbsthilfegruppe: Müdigkeit und Gewichtszunahme belasten nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Austausch kann entlasten.

Tabelle: Schnellcheck Müdigkeit vs. Gewichtszunahme

Müdigkeit Gewichtszunahme
Hauptursache Verminderte Energie, Schlafstörungen Muskelabbau, veränderter Stoffwechsel
Sofortmaßnahme Schlafroutine, Pausen einplanen Proteinreiche Mahlzeiten, Portionskontrolle
Langfristige Strategie Regelmäßige moderate Bewegung, medizinische Abklärung Krafttraining, Ernährungsberatung

Zu Nahrungsergänzungen und Hilfsmitteln

Viele Betroffene fragen nach Supplements wie Vitamin D, Omega-3 oder Proteinpulvern. Einige Hinweise:

  • Vitamin D: Häufig vermindert; bei Mangel kann Supplementierung sinnvoll sein — nach Bluttest und ärztlicher Empfehlung.
  • Proteinshakes: Praktisch nach dem Training, besonders wenn die Nahrungsaufnahme schlecht gelingt. Marken wie Myprotein oder Optimum Nutrition sind weit verbreitet, aber Qualität und Zuckergehalt vergleichen.
  • Achtung bei pflanzlichen Präparaten: Nicht alle sind unbedenklich in Kombination mit Krebstherapie. Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ist wichtig.

Psychische Aspekte nicht vergessen

Müdigkeit und Gewicht haben auch eine starke psychologische Komponente. Selbstvorwürfe („Ich schaffe es nicht“) verschlimmern oft die Lage. Ich habe erlebt, wie hilfreich es ist, kleine Erfolge zu feiern (z. B. ein zusätzlicher Muskelaufbau, 500 g Gewichtsabnahme oder eine Woche mit regelmäßigen Spaziergängen). Professionelle Unterstützung, Austausch in Gruppen oder eine Gesprächstherapie können Kraft geben.

Wenn Sie möchten, finden Sie auf meinem Blog As Bei Prostatakrebs weitere Beiträge, praktische Übungssequenzen und verlinkte Studien zu diesem Thema auf https://www.as-bei-prostatakrebs.de. Denken Sie daran: Jede Veränderung braucht Zeit — und kleine, konsequente Schritte bringen oft die größten Fortschritte.