Wenn ich mit Menschen spreche, die eine Prostatakrebs-Diagnose erhalten haben, höre ich oft denselben Satz: „Ich dachte, ich käme damit klar – aber dann war da diese Leere, diese Angst.“ Psychische Belastung ist nicht ungewöhnlich, aber sie ist sehr individuell. In diesem Beitrag möchte ich beschreiben, wie ich erkenne, wann professionelle psychoonkologische Unterstützung nötig ist, wie man passende Angebote findet und was man erwarten kann. Ich schreibe aus der Perspektive der Begleiterin, die nah bei Betroffenen steht, und mit dem Blick darauf, was praktisch hilft.

Warum psychoonkologische Hilfe wichtig sein kann

Eine Krebsdiagnose verändert nicht nur den Körper, sondern auch die Identität, Beziehungen und den Alltag. Viele Männer erleben Ärger, Scham, Hilflosigkeit oder Sorgen um ihre Rolle in der Familie. Diese Gefühle sind normal, aber wenn sie dauerhaft den Alltag, die Behandlung oder die Beziehungen beeinträchtigen, kann professionelle Unterstützung den Unterschied machen.

Woran merke ich, dass professionelle Unterstützung nötig ist?

Es gibt einige Anzeichen, bei denen ich persönlich empfehle, nicht zu warten:

  • Schlafstörungen oder Appetitverlust, die sich über Wochen nicht bessern und die Energie rauben.
  • Andauernde Angst oder Panikgefühle, die so stark sind, dass sie Arztbesuche, Gespräche oder tägliche Aktivitäten verhindern.
  • Depressive Symptome: Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Verlust von Interesse an Dingen, die früher Freude gemacht haben.
  • Starke Reizbarkeit oder Rückzug, die Partnerschaft und Familienleben belasten.
  • Verstärkte körperliche Beschwerden ohne medizinische Ursache, z. B. Schmerzen, die psychosomatisch sind.
  • Suizidgedanken oder -absichten – in diesem Fall sofort Hilfe suchen (siehe weiter unten).
  • Wenn die Belastung die Behandlungsentscheidung oder die Therapietreue beeinflusst.

Wie unterscheidet sich psychoonkologische Hilfe von normaler Psychotherapie?

Psychoonkologie ist spezialisiert auf die psychischen und sozialen Auswirkungen von Krebserkrankungen. Die Fachkräfte kennen typische Ängste bei Onkologie-Patienten (z. B. Angst vor Rückfall, Sorgen um Sexualität und Männlichkeit) und arbeiten eng mit dem Behandlungsteam zusammen. Das bedeutet: die Therapie ist meist sehr praktisch orientiert, bezieht Krankheitsverlauf und medizinische Entscheidungen mit ein und bietet auch Unterstützung für Angehörige.

Wo finde ich psychoonkologische Angebote?

In Deutschland gibt es mehrere Wege, passende Hilfe zu finden. Ich nenne die, die mir in Gesprächen mit Betroffenen am häufigsten geholfen haben:

  • Krebsberatungsstellen (z. B. lokale Beratungszentren, Angebote der Deutschen Krebsgesellschaft oder des Krebsinformationsdienstes vom DKFZ). Diese Stellen bieten oft niederschwellige Beratung, telefonische Hotline und Vermittlung zu Fachtherapeut:innen.
  • Onkologische Schwerpunktpraxen und Krankenhäuser – viele Kliniken haben eigene psychoonkologische Teams.
  • Hausarzt oder Urologe – eine Überweisung oder Empfehlung kann den Zugang erleichtern.
  • Psychotherapeutische Praxen, die Erfahrung mit Krebspatienten haben. Hier lohnt sich die Nachfrage nach spezieller Erfahrung in der Onkologie.
  • Selbsthilfegruppen und Patientenvereine – oft erste Anlaufstellen für Austausch und Informationen.
  • Telemedizinische Angebote – Online-Therapien, Video-Sessions oder spezialisierte Apps (z. B. Headspace, Calm für Achtsamkeit; spezifische psychoonkologische Online-Programme, die von Kliniken angeboten werden).

Fragen, die ich empfehle zu stellen

Wenn Sie Kontakt zu einer therapeutischen Einrichtung aufnehmen, können diese Fragen helfen, das richtige Angebot zu finden:

  • Haben Sie Erfahrung mit psychoonkologischer Arbeit und mit Patienten mit Prostatakrebs?
  • Arbeiten Sie mit dem Behandlungsteam des Krankenhauses zusammen?
  • Ist das Angebot als kassenärztliche Leistung möglich oder müssen private Kosten getragen werden?
  • Gibt es kurzfristige Termine oder eine Warteliste?
  • Bieten Sie auch Paar- oder Familiengespräche an?

Finanzierung: Was übernehmen Krankenkassen?

In Deutschland werden psychoonkologische Leistungen in vielen Fällen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, besonders wenn sie von psychosozialen Onko-Teams im Krankenhaus oder von approbierten Psychotherapeut:innen erbracht werden. Es lohnt sich, direkt bei der Krankenkasse nachzufragen und die Kostenübernahme schriftlich zu bestätigen. Krebsberatungsstellen bieten oft auch kostenlose Kurzberatungen an.

Was passiert in der ersten Sitzung?

In der ersten Begegnung geht es meist darum, Ihre aktuelle Situation zu schildern: wie sich die Krankheit auf Ihr Leben auswirkt, welche Ängste bestehen, welche Ressourcen vorhanden sind. Gemeinsam wird ein Behandlungsplan vereinbart – das kann eine Kurzberatung, regelmäßige Gespräche, Psychoedukation (Verständnis für Reaktionen) oder spezielle Interventionen wie Traumatherapie, Paartherapie oder Entspannungsverfahren sein.

Welche Methoden können helfen?

Es gibt verschiedene Ansätze, die häufig kombiniert werden:

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) – hilft, belastende Gedanken zu erkennen und praktisch zu verändern.
  • Achtsamkeitsbasierte Verfahren – reduzieren Stress und verbessern den Umgang mit Schmerzen und Ängsten (Apps wie Headspace oder Kurse nach MBSR können ergänzend wirken).
  • Paar- und Familienberatung – unterstützt Kommunikation und Rollenklärung in belastenden Zeiten.
  • Traumaspezifische Therapien – wenn die Diagnose traumatisch erlebt wurde.
  • Sozialberatung – hilft bei finanziellen oder organisatorischen Fragen (Reha, Beruf, Pflege).

Wie finde ich schnell Hilfe in einer Krise?

Wenn Sie akute Suizidgedanken oder schwere Panikattacken haben, suchen Sie bitte sofort Hilfe:

  • Notruf 112
  • Telefonseelsorge: 0800 1110 111 oder 0800 1110 222 (auch online erreichbar)
  • Notfallambulanz der nächsten Klinik

Es ist kein Zeichen von Schwäche, in einer Krise Hilfe zu holen – im Gegenteil: das ist mutig und wichtig.

Wie binde ich Angehörige ein?

Bei Prostatakrebs sind Partnerinnen, Partner und Familien oft stark betroffen. Ich rate dazu, Angehörige frühzeitig einzubeziehen: gemeinsame Termine bei Beratungen, Paartherapie oder klare Absprachen über Unterstützung im Alltag. Manchmal brauchen Angehörige eigene Beratung, um die Belastung zu verarbeiten.

Praktische Tipps für die Suche

  • Nutzen Sie verfügbare Verzeichnisse wie die Seiten der Deutschen Krebsgesellschaft oder des Krebsinformationsdienstes (DKFZ).
  • Fragen Sie direkt im Krebszentrum, bei Ihrem Urologen oder Hausarzt nach psychoonkologischen Angeboten.
  • Erkundigen Sie sich nach telefonischen oder Online-Terminen, wenn Mobilität oder Wartezeiten problematisch sind.
  • Probieren Sie niedrigschwellige Angebote wie Gruppenangebote oder Selbsthilfegruppen, wenn Einzeltherapie schwer zugänglich ist.
  • Notieren Sie vor Gesprächen Ihre wichtigsten Gefühle und Fragen – das hilft, nichts Wichtiges zu vergessen.

Wenn Sie möchten, können Sie mir über das Kontaktformular auf https://www.as-bei-prostatakrebs.de schreiben — ich sammle gern hilfreiche Anlaufstellen und Erfahrungen, die ich für andere Betroffene aufbereiten kann.