Als Gesundheitsjournalistin und jemand, der Prostatakrebs in der Familie erlebt hat, werde ich häufig gefragt: Wann lohnt sich ein molekularer Gentest wie Guardant360, und welche Alternativen gibt es? In diesem Artikel möchte ich aus meiner Erfahrung und nach Sichtung aktueller Empfehlungen erklären, wann solche Tests sinnvoll sind, welche Informationen sie liefern und welche Grenzen und praktischen Fragen Sie beachten sollten.
Was sind Guardant360 und ähnliche Tests?
Guardant360 ist ein Bluttest, der zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) im Plasma analysiert, um somatische (tumorbedingte) Genveränderungen zu identifizieren. Es gibt daneben Gewebetests wie FoundationOne CDx, die DNA aus Tumorgewebe (Biopsie oder OP-Proben) untersuchen. Beide Testarten ordnen Veränderungen Genen zu, die therapeutisch relevant sein können (z. B. BRCA1/2, ATM, CDK12, AR-Mutationen, MMR-Gene).
Wozu dienen diese molekularen Tests bei Prostatakrebs?
Die wichtigsten Einsatzgründe sind:
Therapieentscheidung: Nachgewiesene Defekte in der DNA-Reparatur (z. B. BRCA2) können den Einsatz von PARP-Inhibitoren (wie Olaparib, Rucaparib) rechtfertigen.Immuntherapie-Potenzial: Bei MSI-high oder MMR-Defekten kann Pembrolizumab eine Option sein.Studienzugang: Viele klinische Studien verlangen molekulare Tests zur Einschlusskriterien.Prognostische Informationen: Manche Mutationen sind mit aggressiverem Verlauf verknüpft.Wann lohnt sich ein Test besonders?
Aus praktischer und evidenzbasierter Sicht empfehle ich molekulare Tests vor allem in folgenden Situationen:
Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC): Hier sind die Therapieentscheidungen am meisten von molekularen Befunden abhängig. Leitlinien (z. B. ESMO, NCCN) raten zu breit angelegten Tests.Fortgeschrittene metastasierte Erkrankung nach Progress unter Standardtherapien: Wenn neue zielgerichtete Optionen oder Studien infrage kommen.Fragen nach erblichen (keine rein somatischen) Veränderungen: Bei Familienanamnese oder bestimmten Mutationsmustern sollte zusätzlich eine Keimbahn-Analyse (Germline-Test) erfolgen, da sie für Angehörige relevant ist.Bei lokal begrenztem, niedrigem Risiko-Prostatakarzinom ist ein umfassender Molekulartest meist nicht nötig — hier bringt er selten therapeutische Konsequenzen.
Plasma (ctDNA) vs. Gewebe: Was ist besser?
Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile:
ctDNA-Tests (z. B. Guardant360): Nicht invasiv (Blutabnahme), schneller, gut geeignet wenn frisches Tumorbiopsiematerial fehlt. Nachteil: Bei geringer Tumorlast oder low-shedding-Tumoren kann ctDNA zu niedrig sein, sodass Mutationen nicht erkannt werden (falsch negativ).Gewebetests (z. B. FoundationOne CDx): Höhere Sensitivität für bestimmte Veränderungen, besonders wenn gut erhaltenes Tumormaterial vorliegt. Nachteil: invasiver, oft längere Bearbeitungszeit, gealtertes Material kann die Analyse erschweren.In der Praxis ergänzen sich beide: Wenn ein ctDNA-Test nichts ergibt, lohnt sich oft ein Gewebetest — und umgekehrt, wenn keine frische Biopsie möglich ist, ist ctDNA eine sinnvolle Alternative.
Was bedeuten konkrete Befunde für die Therapie?
Ein paar häufige Beispiele, die ich bei Gesprächen mit Betroffenen erlebe:
BRCA1/2, PALB2, andere HRR-Defekte: Können den Einsatz von PARP-Inhibitoren begründen. Bei Nachweis sollte geprüft werden, ob die Veränderung somatisch oder keimbahnbedingt ist — letzteres hat familiäre Konsequenzen.AR-Mutationen/Amplifikationen: Können Resistenz gegen Androgendeprivationstherapie oder neuere Androgenrezeptor-Inhibitoren anzeigen und Einfluss auf Sequenzierung von Therapien haben.MMR-Defekte/MSI-high: Option für Immuntherapie (z. B. Pembrolizumab).CDK12-Verlust: Steht in Verbindung mit aggressivem Verhalten und kann Studienoptionen eröffnen.Limitationen und Fehlinterpretationen
Wichtig ist, die Grenzen molekularer Tests zu kennen:
Ein negatives Ergebnis schließt relevante Mutationen nicht definitiv aus — besonders bei ctDNA kann die Sensitivität limitiert sein.Manche Varianten sind „Variants of Unknown Significance“ (VUS) — kein klares Therapiesignal.Die Interpretation erfordert Fachwissen: Nicht jede gefundene Mutation führt automatisch zu einer Therapieempfehlung.Keimbahnmutationen haben genetische Konsequenzen für Familienangehörige; hier ist genetische Beratung notwendig.Praktische Fragen: Kosten, Zeit, Proben
Viele Tests werden in der Situation mCRPC inzwischen von Krankenkassen gemäß Leitlinien übernommen, aber regionale Unterschiede und Einzelfallentscheidungen sind möglich — vorab klären!Turnaround: ctDNA-Tests sind oft schneller (Tage bis 2 Wochen), Gewebetests können länger dauern.Material: Falls eine alte Biopsie zur Verfügung steht, prüfen lassen, ob das Material für eine molekulare Analyse geeignet ist.Welche Tests sind gebräuchlich?
Ein kurzer Vergleich (vereinfacht):
| Testtyp | Beispiel | Vorteile | Nachteile |
|---|
| ctDNA | Guardant360 | Bluttest, schnell, non-invasiv | Falsch-negative bei low-shedding |
| Gewebepanel | FoundationOne CDx | hohe Sensitivität, etabliert in Zulassungsstudien | invasiv, abhängig von Probequalität |
Welche Fragen sollten Sie Ihrem Arzt stellen?
Welcher Test ist in meiner Situation sinnvoll — ctDNA, Gewebe oder beides?Was kostet der Test, und übernimmt die Krankenkasse die Kosten?Welche Konsequenzen hätte ein positiver Befund für meine Therapie?Brauchen meine Angehörigen eine genetische Testung?Wie schnell bekomme ich die Ergebnisse und wer erklärt mir die Befunde?Persönliche Einschätzung
Ich habe beobachtet, dass viele Betroffene durch molekulare Tests Klarheit und neue Optionen gewinnen — besonders in fortgeschrittenen Stadien. Gleichzeitig sehe ich die Verunsicherung, wenn Ergebnisse unklar sind oder nicht direkt zu einer Therapie führen. Mein Rat: Suchen Sie sich eine fachkundige Beratung (Urologe/Onkologe + genetische Beratung), klären Sie vorab Kostenerstattung und bewahren Sie die Ruhe. Ein molekularer Test ist ein Werkzeug, kein Allheilmittel — aber in der richtigen Situation kann er den Zugang zu zielgerichteten Therapien und Studien deutlich verbessern.
Wenn Sie möchten, kann ich in einem weiteren Beitrag typische Fallbeispiele durchgehen (z. B. mCRPC mit BRCA2 vs. ohne HRR-Defekt) oder Ihnen Formulierungen für die Gesprächsanfrage beim Arzt vorschlagen. Schreiben Sie mir gern Ihre Fragen oder Erfahrungen — der Austausch hilft vielen Menschen.